Donnerstag, 2. Juli 2009

Green Brief #15 - 1. Juli 2009 - deutsche Übersetzung:

Ich bin NiteOwl alias Josh Shahryar - twitter.com/iran_translator bei Twitter.
Während der letzten Stunden habe ich mich intensiv mit den Twitter-Nachrichten (tweets) aus dem Iran beschäftigt. Ich habe versucht, bei der Auswahl meiner Twitter-Quellen sehr vorsichtig vorzugehen. Was ich im Folgenden zusammengestellt habe, ist das, was ich auf der Grundlage verlässlicher Twitter-Quellen glaubhaft berichten kann. Trotzdem ist zu beachten: Alle nachfolgenden Informationen basieren einzig auf Twitter-Nachrichten; (Meine Arbeit erscheint unter den Konditionen von Creative Commons. Sie kann frei genutzt werden).

Dies sind die wichtigen Ereignisse, die ich von Mittwoch, dem 1. Juli 2009, aus dem Iran bestätigen kann:

Protestaktionen

1. Unbestätigten Berichten zur Folge gab es auch heute wieder Protestaktionen in Teheran. Berichte von Zusammenstößen in Rascht konnten teilweilse bestätigt werden. Sie brachen aus, als Polizeikräfte versuchten, Menschen, die um tote DemonstrantInnen trauerten, auseinanderzutreiben. Ein Arzt und zwei Krankenschwestern wurden im Teheraner Loghman Krankenhaus zusammengeschlagen, nachdem sie die Verhaftung eines verletzten Demonstranten aus dem Krankenhaus durch Sicherheitskräfte verhindern wollten. Eine Twitter-Quelle sprach heute mit einem Angehörigen der Basidschi-Milizen. Dieser habe gesagt, er arbeite für den Islam, hoffe aber, er müsse keine Aufstände mehr niederschlagen.

2. Protestaktionen sind für morgen geplant, wobei keine davon vollständig bestätigt werden konnte. Einige Ianerinnen, die eine inoffizielle Gruppe mit dem Namen “Trauernde Mütter” gegründet haben, kündigten an, die wollten sich am Samstag im Laleh Park treffen, um der Toten zu gedenken. Berichte aus Teheran deuten an, dass die Geschäfte früher als normal schließen. Mehrere Quellen behaupteten, in der Stadt herrsche faktisch eine inoffizielle Ausgangssperre.

Politische Stellungnahmen

3. Mousavi veröffentlichte seine neunte Erklärung seit den Wahlen. Er sagte, es dürfe keine Möglichkeit ausgelassen werden das Ausmaß dieser Lüge und ihrer historischen Auswirkungen ans Licht zu bringen. Die Lügner und Betrüger würden sich nur hinter dem Gesetz verstecken, und gleichzeitig ihre Absichten mit Zwang durchzusetzen Er fügte hinzu es sei die revolutionäre Verantwortung von ihm selbst und von “allen IranerInnen”, sicherzustellen, dass das Blut so vieler tausender Märtyer nicht sinnlos vergossen worde sei. Weiter sagte er, “es ist unser historischer Auftrag, unsere Proteste fortzusetzen und nicht aufzugeben die Rechte der Menschen wiederzuerlangen. Er stellte die Legitimität der Regierung in Frage und sagte, er halte diese nicht länger für rechtmäßig – eine Ansicht, die bereits von der Mehrheit der IranerInnen anerkannt wird. Er appellierte an die Elite der Regierung, den Wahlbetrug aufzudecken, indem sie Beweise und Dokumente, die sich gegenwärtig in ihrem Besitz befänden, freigäben.

4. Khatami kritisierte die Regierung heute in einem neuen harscheren Ton, der auf unverblümte Mißachtung hindeutet. Er nannte die Wahlen eine “Staatsstreich gegen die Demokratie”. Er fragte: “Wie sollen sich die IranerInnen beruhigen, wenn ihre Stimmen gestohlen wurden? Wenn ihr Blut vergossen wurde und noch wird? Wenn sie verschleppt und massenhaft verhaftet werden? Wenn die Regierung und die Medien sie unverholen ignorieren?” Er fragte: “Wie ist eine nationale Versöhnung selbst in ferner Zukunft in einem Land möglich, das zu einem Polizeistaat wird?” Weiter sagte er, das, was gegenwärtig im Iran geschehe “ist eine direkte Verletzung der grundlegenden Rechte, die den Menschen in der Verfassung zugesprochen wurden.” Er beschuldigte die Medien, weitere Unruhen und Gewalt provozieren zu wollen und verurteilte die Zensurversuche der Regierung. Er sagte voraus, die Bildung einer Regierung werde scheiten, sollte dies andauern.

5. Khatami traf sich später mit mehreren Familien, deren Angehörige bei den gewalttätigen Zusammenstößen in den vergangenen zwei Wochen festgenommen wurden, und verlangte erneut die Freilassung aller Personen, die wegen Demonstrierens inhaftiert wurden, einschließlich aller Persönlichkeiten aus Politik und Presse. Er kritisierte das Innenministerium scharf wegen dessen vorgeblicher “Vergesslichkeit” über das Schicksal der Inhaftierten.

6. Ein Video von Ayatollah Hadi Ghaffari, einem weiteren prominenten schiitischen Geistlichen ist aufgetaucht, worin dieser Khamenei direkt vorwirft, er versündige sich gegenüber der Bevölkerung, indem er Festnahmen und Tötungen befehle. Dies ist der zweite hochrangige Geistliche innerhalb von zwei Tagen, der Berichten zufolge die Regierung derart deutlich kritisiert. Ayatollah Taheri, der frühere Imam der Freitagsmoschee von Isfahan, kritisierte die Aktionen der Regierung gestern.

Regierung

7.. Mahmoud Ahmadinejad sagte Berichte zufolge der Wahlbetrug in Iran sei geauso wahr wie der Holocaust (Ahmadinejad ist ein Holocaust-Leugner). Ferner wird berichtet, er habe eine Reise zur Teilnahme am Afrikagipfel in Libyen abgesagt. Medien berichteten Ahmadinejads Arbeitsbelastung sei zu hoch und es gäbe für ihn “andere Prioritäten”. Dies kommt zu einer Zeit, zu der nach unbestätigten Berichten einige Reformkräfte im Ausland die geheime Errichtung einer Schattenregierung für den Iran planten.

8. Die gemäßigt reformorientierte Parlamentsfraktion “Weg des Imam” (eine Parlamentariergruppe), bat die Familien von Inhaftierten, ihnen Dokumente über ihre festgenommenen Verwandten zu schicken. Weitere hochrangige IranerInnen wurden heute verhaftet, darunter Saeedeh Kordinejad und Zoia Hasani, Mitglieder der Mosharekat Partei, Vahid Amoozadeh-Khalili, Sohn einer anderen reformorientierten Persönlichkeit und Omid Mosleh, ein bekannter Filmkritiker. Mohammad Mostafayee, ein prominenter Anwalt, der vor zwei Tagen verhaftet worden war, wurde heute auf Kaution freigelassen.

Festgenommene, Freigelassene und Untersuchungen

9. Vahid Amoozadeh-Khalili’s Inhaftierung konnte erst heute bestätigt werden, obwohl er seit zwei Tagen als vermisst galt.. Ein hochrangiger Polizeibeamter bestätigte heute, seit Beginn der Demonstrationen seien 1032 Personen festgenommen worden. Unabhängigen Quellen zufolge ist diese Zahl aber wahrscheinlich sehr viel höher. Teilweise bestätigt wurde die Meldung, wonach vier weitere einheimische Mitarbeiter der Britischen Botschaft aus der Haft entlassen worden seinen. Eine Person sei weiterhin in Haft. Davor hatte die Regierung behauptet, einige der festgenommenen neun Mitarbeiter seien schuldig, die gegenwärtigen Unruhen im Iran organisiert zu haben. In diesem Zusammenhang hat die EU damit gedroht, all ihre Botschaften im Iran zu schließen, sollten die Mitarbeiter nicht entlassen werden.

10. Die iranische Regierung behauptet, der Mord an Neda Agha-Soltan stünde in keinster Weise im Zusammenhang mit den “Krawallen”. Irans Polizeichef gab heute bekannt, einer der wichtigsten Augenzeugen von Nedas Tod, Arash Hejazi, werde gegenwärtig wegen verschiedener Straftaten von Interpol gesucht. Die Regierung hatte zuvor behauptet, das Geschoss, das Neda tötete, sei nicht von einer Waffe abgefeuert worden, die sich derzeit im Gebrauch der iranischen Sicherheitskräfte befinde.

11. Mohmmad Ghouchani, der inhaftierte Chefredakteur der Zeitung “Etemade Melli”, hat Berichte der regierungsnahen Zeitung “Javan Daily” zurückgewiesen, er habe Straftaten und Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit der Organisation von Protestaktionen zugegeben. Er wies außerdem die Behauptung der Zeitung zurück, er habe in einem arabischen Land ein Geheimtraining zu Umsturztaktiken durchlaufen. Er behauptete, noch nicht einmal einen Reisepass zu besitzen.

Medien im Iran und Verschiedenes

12. Die Zeitung “Etemade Melli” wird ab morgen erneut erscheinen, nachdem sie für einen Tag von der Regierung verboten worden war, weil sie Berichten zufolge gestern eine Erklärung Karoubis veröffentlichen wollte. Berichte deuteten weiter an, dass die Regierung “Etemade Melli” und andere Zeitungen nun stärker zensieren würde, um zu verhindern, dass solche Erklärungen an die Öffentlichkeit gelangen. Ein Reporter des Regierungskanals Press-TV hat seine Stelle gekündigt, da er die Berichterstattung des Senders über die Ereignisse nach der Wahl als Verzerrung der Tatsachen ansieht.

13. Heute stießen Reporter, die den Gouverneur der Provinz Fars und den Freitagsimam von Shiraz begleiteten, in der Hauptbibliothek von Shiraz auf vier ungeöffnete Wahlurnen. Entsprechend des iranischen Wahlreglements, hätten alle Wahlurnen nach Teheran versandt werden müssen. Den Berichten zufolge, erklärte der Gouverneur den Inhalt der Wahlurnen umgehend zu “staatlichen Dokumenten” und wies die Reporter an, nicht über den Vorfall zu berichten.

Hier (پایگاه مستقل خبر رسانی عبرت www..ebrat.ir) einige Bilder der Wahlurnen, die, wie deutlich zu erkennen ist, versiegelt sind. Das letzte Bild zeigt ein Bild des Imam bei seiner Stimmabgabe am Wahltag in anderer Kleidung. Wir können die Authenzität der Aufnahmen nicht vollkommen bestätigen, da keine Datumsangaben auf den Bildern zu sehen sind: پایگاه مستقل خبر رسانی عبرت www.ebrat.ir

14. “Allah o Akbar” Rufe ertönten auch heute wieder bei Dämmerung über Tehran und andere Städte des Iran. Ein von der britischen Zeitung “The Guardian” veröffentichter Bericht: Iran protester was arrested, beaten and raped, friend says | World news | guardian.co.uk meldet basierend auf Angaben des Freundes eines (männlichen) Demonstraten, dieser sei verhaftet, geschlagen und vergewaltigt worden.

Übersetzt von GermTrans

Quelle: Green Brief #15, http://iran.whyweprotest.net/news-current-events/5106-green-brief-15-july-01-a.html

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