Green Brief #16 (2. Juli 2009) - deutsche Übersetzung
// Deutsche Übersetzung von kyrah - Original siehe http://iran.whyweprotest.net/news-current-events/5760-green-brief-16-july-2-a.htmlIch bin NiteOwl AKA Josh Shahryar - twitter.com/iran_translator auf Twitter - und ich war die letzten Stunden intensiv mit Tweets aus dem Iran beschäftigt. Ich habe versucht, bei der Wahl meiner Twitter-Quellen extrem vorsichtig vorzugehen. Was ich im Folgenden zusammengestellt habe ist das, was ich durch meine verlässlichen Quellen bestätigen kann. Beachten Sie bitte, dass alles hier von Tweets stammt. (Meine Arbeit erscheint unter den Bedingungen von Creative Commons. Sie kann frei genutzt werden).
Dies sind die wichtigen Ereignisse, die ich von Donnerstag, dem 2. Juli 2009, aus dem Iran bestätigen kann:
Protestaktionen
- Tausende Menschen versammelten sich in Irans Beheshte Zahra-Friedhof und in anderen kleineren Friedhöfen zu Trauerfeiern für die getöteten Demonstranten. Die genauen Zahlen sind schwer zu bestätigen, verschiedene Quellen sprechen aber von etwa 10.000 bis 15.000 Menschen. Es gab Berichte, dass eine große Anzahl von Basidsch in und um den Beheshte Zahra-Friedhof stationiert waren, es soll aber zu keinen Zusammenstößen gekommen sein. Berichten zufolge haben die Händler in Tabriz aufgrund der Einschüchterung und Drohungen der Basidsch ihre Streiks eingestellt.
- Mussawis Facebook-Seite forderte die Demonstranten dazu auf, diesen Sonntag eine Menschenkette zu bilden - wir konnten dies nicht durch andere Quellen bestätigen. Unterdessen versammelten sich auch heute wieder etwa 120 Frauen von der Gruppe "Trauernde Mütter" im Laleh-Park und entzündenten Kerzen im Gedenken an die gefallenen Demonstranten. Sie haben für den 4. Juli Massenversammlungen in den Parks Laleh, Andisheh und Mellat geplant. Verwandte von im Evin-Gefängnis Inhaftierten versammelten sich heute ebenfalls wieder vor dem Gefängnis und forderten die Freilassung ihrer Angehörigen.
Regierung
- Hardliner unter den Parlamentariern riefen die Justiz heute wiederum dazu auf, Mussawi für seine angeblichen Gesetzesverletzungen zu verfolgen. Er habe zu Demonstrationen aufgefordert und zur Gewalt aufgehetzt. Dieser Aufruf war auch schon in der Vergangenheit gemacht worden. Verschiedene staatliche Zeitungen haben in den letzten Tagen ebenfalls ähnliche Forderungen gestellt. Unbestätigten Berichten von Qom und Khorasan zufolge erwägen mehr und mehr Geistliche, die Handlungen der Regierung zu verurteilen und die Demonstrationen für legitim zu erklären.
- Samareh Hashemi, Mahmud Ahmadinejads Wahlkampfmanager, erklärt PressTV gegenüber heute, dass die Ausfälle von SMS und die Einschränkungen der Mobiltelefon-Dienste veranlasst wurden, um während und nach den Wahlen "die Sicherheit zu gewährleisten". Er sagte weiters, dass Mussawi nicht wirklich ein Oppositionsführer sei, da "seine Ansichten denen der Regierung sehr nahe [stünden]". Weiters behauptete er, dass alle Kandidaten sehr wohl wüßten, dass die Wahl so unparteiisch wie jede andere zuvor war und dass kein Wahlbetrug stattgefunden habe.
- Der internationale Druck auf die iranische Regierung steigt. Nächste Woche wird ein EU-Treffen stattfinden, bei dem Berichten zufolge die Mitgliederstaaten einen Abzug ihrer Botschafter aus dem Iran in Erwägung ziehen werden. Der russische Außenminister gab heute bekannt, dass Russland internationale Sanktionen gegen den Iran ablehne und dass die Wahl und ihre Folgen ein inneres Problem des Irans sei, um das sich die Iraner kümmern müssten (soweit ein Bericht von MosNews). Ein ehemaliger Justizminister Kanadas, Irwin Cotler, hat die Völkergemeinschaft ersucht, Ahmadinejad die Einreise in ihre Staaten zu verwehren, berichtete Deutsche Welle.
- Al-Arabiyas Website hat berichtet, dass Mamdouh Ismail, ein ägyptischer Anwalt und Angehöriger der Muslimischen Bruderschaft, eine Beschwerde bei der Obersten Staatsanwaltschaft in Ägypten eingebracht hat. Er hat verlangt, Ahmadinjead die Einreise nach Ägypten zu verweigern, wenn er nächsten Monat zu einem diplomatischen Treffen dorthin komme. Er warf Ahmadinejad vor, die Wahlen fälschlicherweise gewonnen zu haben und zwei Gefährten des Propheten Mohammed beleidigt zu haben.
Festnahmen, getötet:
- Im Zusammenhang mit den Protestaktionen wurden heute in Qazvin sieben Menschen verhaftet. Der Vorsitzende der Participation Front in der Provinz Hormozgan, Herr Ramezanpour, wurde ebenfalls festgenommen. Die staatlichen Medien behaupten jetzt, dass 20 Menschen in den Demonstrationen nach der Wahl den Tod fanden. Es ist schwer, die tatsächliche Anzahl zu ermitteln, sie ist aber Berichten zufolge viel höher als die offiziell in den Medien berichtete. Eine positive Nachricht ist, dass die iranischen Journalisten Maryam Ameri und Omid Mohaddes heute aus dem Gefängnis in Teheran entlassen wurden.
- Der Gesundheitszustand von Saeed Hajjarian - einem bekannten Politiker und Unterstützer Mussawis - soll sich verschlechtern. Hajjarian leidet unter Diabetes, einer sehr ernsten Krankheit, die tägliche Betreuung erfordert. Amnesty International hat die Regierung heute nochmals dazu aufgefodert, Hajjarian freizulassen. Am Mittwoch forderte Newsweek die unverzügliche Haftentlassung ihres Reporters Maziar Bahari. Bahari war am 21. Juni 2009 verhaftet worden. Newsweek weist die Anschuldigungen der iranischen Medien zurück, dass Bahari an den Ausschreitungen nach der Wahl beteiligt war. Bahari ist der Zugang zu einem Anwalt verwehrt worden.
- Die Regierung bestreitete die Medienberichte, denen zufolge sechs Demonstranten angeblich im Evin-Gefängnis erhängt worden seien. Die Iranian Student's News Agency berichtet auf ihrer Website, den genannten Personen sei der Mord an ihren Partnern und anderen Leuten angelastet worden. Sie machten weder Andeutungen noch Verbindungen zu den "Gefangenen" und den Festnahmen nach der Wahl.
- Interpol dementierte heute, dass der Zeuge von Neda Agha-Soltans Tod von Interpol gesucht würde. Sie hätten auch keine Forderung nach seiner Festnahme von der iranischen Regierung bekommen. Die iranischen Medien und Regierung behaupteten, Interpol fahnde nach dem Zeugen, Arash Hejazi. Unbestätigte Berichte legen nahe, dass die iranischen Geheimdienste und das Ministerium für Islamische Führung eine Liste von iranischen Journalisten erstellt, denen Auslandsreisen verwehrt werden sollen.
- Berichte über Folter im Evin-Gefängnis und in anderen iranischen Gefängnissen häufen sich weiter. Einigen Quellen zufolge werden die Häftlinge jede Nacht geschlagen. Andere sollen Waterboarding mit heißem Wasser unterzogen werden, um sie zu Geständnissen zu zwingen.
Politische Stellungnahmen
- Ein weiterer Ayatollah hat sich der Sache der Demonstranten angeschlossen. Ayatollah Bayat-Zanjani sagte heute, es sei rechtmäßig, Gerechtigkeit zu fordern und für seine Rechte zu demonstrieren. Er verurteilte weiters die Unterdrückung der Demonstranten und bezeichnete diesen Akt als illegitim. Er rief Mussawi dazu auf, für die Gerechtigkeit einzutreten und den Menschen dabei zu helfen, ihre Rechte durchzusetzen. Zanjani schließt sich mit der Unterstützung der Sache der Demonstranten den Ayatollahs Taheri, Ghaffari, Sanei und Montazeri an. Karoubi verkündete heute zum wiederholten Male, er würde die derzeitige Regierung nicht anerkennen und nicht davon ablassen, den Menschen in ihrem Kampf für ihre Rechte beizustehen - selbst wenn es den Rest seines Lebens dauern sollte.
- Berichten zufolge hat Rafsanjani, einer der Imams, die in Teherans größter Moschee das Freitagsgebet leiten, abgelehnt, in Zukunft die Gebete zu leiten. Letzte Woche wurde sein Platz zuerst von Khamenei eingenommen, doch Khamenei zog sich in letzter Minute zurück und überließ Ahmad Khatami die Leitung der Gebete. Rafsanjani plant auch diesen Freitag nicht, den Gebeten beizuwohnen.
Medien
- Die Website von Parlemaan News ist von der Regierun gesperrt worden. Die Website war eine der wenigen verbleibenden Quellen des iranischen Volkes für unabhängige Nachrichten. Die Regierung versperrte den Zugang, nachdem sie mehrere von Mussawis Stellungnahmen und Khatamis Regierungskritik gebracht hatten. Parlemaan News - parlemaan heißt "Parlament" auf Persisch - ist die offizielle Website der Fraktion Weg des Imam im iranischen Parlament. Sie waren letzte Woche von Sicherheitskräften und der Justiz gewarnt worden, die Kritik an der Regierung einzuschränken.
- BBC berichtete heute, dass das Königreich Jordanien den iranischen Staatsfernsehsendern Al-Alam und Press TV die Sendeerlaubnis in Jordanien entzogen hat. Al-Alam sendet Nachrichten auf Arabisch, Press TV ist der wichtigste englischsprachige Nachrichtenkanal des Iran. Press TV zeigte heute wie, wie sie es nannten, "Schlägertypen das Basidsch-Hauptquartier in Teheran angriffen" - das Material zeigte aber nur, wie mehrere Demonstranten vor dem Hauptquartier an einem unbekannten Datum Sprechchöre skandierten. Die Aufnahmen zeigten nicht, dass irgendeiner der "Schlägertypen" einen der Molotov-Cocktails verwendete, die sie bei sich hatten.
Kommunikation
- Obwohl SMS gestern in Teheran wieder verfügbar war, ist der Zugang Berichten zufolge bereits wieder abgeschnitten. Quellen gaben an, dass sie Twitter-Benutzer aus Teheren ersucht hatten, einander KEINE SMS-Mitteilungen zu senden, da es sich um einen Trick der Regierung handeln könne, um Dissidenten ausfindig zu machen. Es gibt Berichte darüber, dass die wichtigsten iranischen Telekom-Anbieter in China ausgebildetet worden seien, um "Dissidenten anhand ihrer im Netz geposteten Daten aufzuspüren und auszumerzen". Auch Monitoring (Netz-Überwachung) und andere Techniken habe man dort gelernt.
- Die gestrigen Nachrichten, dass in Shiraz vier ungeöffnete Wahlurnen aufgetaucht seien, konnten nicht bestätigt werden. Verläßlichen Quellen zufolge gab der Gouverneur der Fars-Provinz, in der Shiraz liegt, heute an, die Urnen seien von vergangenen Wahlen. Er fügte hinzu, dass sie als Nationale Dokumente aufbewahrt würden. Mohammad Reza Nasab-Abdollahi, der Journalist, der die Nachricht herausbrachte, ist Berichten zufolge von der Regierung eingeschüchtert worden. Er steht unter Druck, seinen Bericht zu widerrufen und die vorherigen Aussagen zu dementieren.
- “Allah o Akbar”-Rufe ertönten weiterhin über den Iran hinweg. Es gibt Berichte, die nahelegen, dass Dutzende Menschen - in manchen Fällen die Bewohner ganzer Wohnblocks - von den Basidsch für die nächtlichen Sprechchöre verhaftet worden sind. Einwohner von Nord-Teheran wurden gewarnt, sie mögen entweder die Sprechchöre einstellen oder es riskieren, ihre Satellitenantennen zu verlieren. Satellitenantennen sind im Iran illegal, aber weit verbreitet.
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