Quelle: http://iran.whyweprotest.net/news-current-events/11966-green-brief-25-july-11-a.html (englisch)
Ich bin NiteOwl alias Josh Shahryar - twitter.com/iran_translator bei Twitter. Während der letzten Stunden habe ich mich intensiv mit den Twitter-Nachrichten (tweets) aus dem Iran beschäftigt. Ich habe versucht, bei der Auswahl meiner Twitter-Quellen sehr vorsichtig vorzugehen. Was ich im Folgenden zusammengestellt habe, ist das, was ich auf der Grundlage verlässlicher Twitter-Quellen glaubhaft berichten kann. Trotzdem ist zu beachten: Alle nachfolgenden Informationen basieren einzig auf Twitter-Nachrichten; (Meine Arbeit erscheint unter den Konditionen von Creative Commons. Sie kann frei genutzt und überall veröffentlicht werden).
Die folgenden wichtigen Ereignisse kann ich von Samstag, dem 11. Juli 2009 aus dem Iran bestätigen:
Protestaktionen, Unruhen
1. Verzögert eintreffende Berichte, die soeben erscheinen, bestätigen, dass am 9. Juli tatsächlich landesweit Protestaktionen stattgefunden haben. Dabei kam es auch zu Massenverhaftungen. Berichte von Stromausfällen während einer Rede von Ahmadinedschad werden inzwischen auch von den Massenmedien bestätigt. - Dies wurde auf Twitter bereits vor drei Tagen gemeldet.
2. Die großen und wöchentlich stattfindenden Demonstrationen sowie die starke Präsenz der Basidsch-Milizen haben sich negativ auf die iranischen Basare ausgewirkt; für sie wird es immer schwieriger, geöffnet zu bleiben. Eine Folge davon ist, dass der Handel langsam zum Erliegen kommt. Berichte deuten darauf hin, dass die Opposition derzeit weitere Streiks und Demonstrationen plant. Heute bewarfen etwa 150 DemonstrantInnen die Deutsche Botschaft in Teheran mit Eiern, um damit gegen den Tod einer Ägypterin durch einen Sympathisanten der rechten Szene in Deutschland zu demonstrieren.
3. In Teheran betätigen die AutofahrerInnen auch weiterhin ihre Hupen, wenn sie Basidsch sehen, und rufen gegen die Regierung gerichtete Parolen während sie schnell an diesen vorbeifahren. Viele AutofahrerInnen fahren auch mit eingeschalteten Scheinwerfern. Berichte deuten darauf hin, dass viele Mitglieder der Basidsch-Milizen ihren Dienst quittierten und durch frisch rekrutierte Personen ersetzt würden, viele davon unter 18 Jahren. Personen, die in den Iran reisen, werden bei ihrer Ankunft dazu gezwungen ihre Benutzerkonten auf Twitter und Facebook offen zu legen, damit die Regierung ihre Onlineaktivitäten überprüfen kann.
Opposition
4. In einem Brief an die oberste Justizauthorität, Ayatollah Shahroudi, bat Mehdi Karubi, einer der Kandidaten der Präsidentschaftswahlen und eine der Schlüsselpersonen hinter den derzeit andauernden Protesten, um die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und festgenommenen DemonstrantInnen. Darin schrieb er: “Die Bevölkerung glaubte an das System, doch das System wurde von einigen Wenigen als Geisel genommen.” Er warf den Teheraner Behörden vor, die Opposition systematisch beseitigt zu haben. Er warnte die Regierung vor unvorstellbaren Folgen”, sollte die gegenwärtige Situation weiter andauern.
5. Ayatollah Montazeri hat eine Fatwa (ein islamisches Rechtsgutachten) erlassen, das die DemonstrantInnen und ihr Anliegen unterstützt. Darin verurteilte Montazeri die “Gewalt gegen DemonstrantInnen” als “unislamisch”. Er rief die Regierung dringend dazu auf, bei ihren Aktionen nicht mit dem Namen des Schiismus und des Islam zu spielen. Er deutete an, dass die Führung Chameneis gegen den Islam, die menschlichen Grundprinzipien und die nationalen Interessen gerichtet sei, und dass Chamenei eindeutig im Unrecht sei. Berichte, Ayatollah Ustadi, der derzeitige Freitagsprediger in Qom, sei von seiner Position zurückgetreten und habe zum Streik aufgerufen, konnten nicht bestätigt werden.
6. In einem offenen Brief, der in den Medien publiziert wurde, schrieb der Frauenflügel der Partei Mussawis (“Participation Front”), die iranischen Mütter erwarteten die Freilassung ihrer Verwandten mit Tränen in ihren Augen und Schmerz in ihren Herzen. Sie forderten die Regierung auf, alle Inhaftierten umgehend freizulassen und die Verhaftung von Personen einzustellen, die auf friedlichem Wege ihren Widerspruch zum Ausdruck bringen würden.
Regierung, Internationales
7. Der iranische Außenminister Manutschehr Mottaki erklärte, Iran sei bereit, mit dem Westen zu diskutieren, erhob aber Anspruch darauf, dass die Regierung eine Reihe von Problemen diskutieren wolle, nicht nur eines.. Zur gleichen Zeit hat die Europäische Union die Vergabe von Visa für iranische Diplomaten, die in einen EU-Mitgliedstaat einreisen wollen, vollkommen ausgesetzt.
8. Der Sprecher der Fraktion “Weg des Imam” (“Imam’s Way’) im iranischen Parlament erklärte, die Legitimität der Regierung sei nach all dem, was nach der Wahl bekannt geworden sei, “zweifelhaft”. Berichte aus Teheran deuten darauf hin, dass viele Mitglieder der Fraktion darüber nachdenken, nicht an der demnächst im Paralment stattfindenden Vertrauensabstimmung (“vote of confidence”) für das vom Präsidenten bestimmte Kabinett teilnehmen zu wollen. Ferner sagte der Sprecher: “Wenn ein Kabinettsminister der Bevölkerung Antworten verweigert, sollte er nicht erwarten, dass ihm das Vertrauen ausgesprochen wird.”
9. Der Teheraner Polizeichef hat in Teilen den Stadt den Notstand ausgerufen. Die iranische Regierung hat den Sicherheitschef der Provinz Zanjan abgelöst, nachdem Berichte aufgetaucht waren, er könnte mit der Reformbewegung sympathisieren. Mehrere bekannte Bürger aus Tabriz haben einen Brief an Chamenei geschrieben und erklärt, “die Bevölkerung sei nicht mit den Wahlen zufrieden und würde auch weiterhin ihren Widerspruch gegegenüber der Regierung zum Ausdruck bringen.”
10. Ein Büro Mussawis im Präsidentenpalast wurde auf Weisung der Regierung geräumt. Mussawi benutzte dieses Büro während der letzten zwanzig Jahre, nachdem er den Posten des Ministerpräsidenten verlassen hatte. Es handelt sich dabei NICHT um das Hauptquartier seiner Wahlkampagne. Inzwischen verstärkt die Regierung ihre Medienkampagne, in der sie Mussawis Rolle in der iranischen Vergangenheit diskreditiert.. Zur gleichen Zeit drohte Berichten zufolge eine große Zahl iranischer Geistlicher in Qom, den Iran zu verlassen und nach Najaf (Irak) zu ziehen.. Najaf ist der heiligste Ort des Schiismus, Qom ist das Zentrum des schiitischen Lernens. Sie forderten von der Regierung, den unnachgiebigen Druck einzustellen, sie auf ihre Seite zu ziehen.
Verhaftungen, Freilassungen, Tötungen
11. Berichte aus dem Evin-Gefängnis deuten darauf hin, dass mindestens ein Gefangener infolge massiver Folter ums Leben gekommen ist. Es soll sich dabei um den Sohn eines Mitglieds der Gruppe “Trauernde Mütter” handeln; sein Name wurde mit Sohrab A’rabi angegeben. Berichte von Folter waren bereits in der Vergangenheit bestätigt worden, doch wurden nun Einzelheiten bekannt, die extremere Formen offenlegen, darunter etwa:
- Gefangene werden gefesselt und mit Schlagstöcken zusammengeschlagen;
- Gefangene werden dazu gezwungen, sich auf ihre Verletzungen und auf heißen Asphalt zu legen;
- Gefangenen wird kochend heißes Wasser über den Kopf geschüttet.
12. Berichte, dass jeweils mehr als ein Duzend Gefangener in weniger als 3 x 3 Meter großen Zellen zusammengepfercht würden, nehmen zu. Andere Berichte deuten darauf hin, dass die Haftanstalt so überfüllt sei, dass Gefangene inzwischen in zum Teil beschädigte Zellen geworfen würden. Gefangene würden über 12 Stunden ohne Unterbrechung verhört und verletzte Gefangene erhielten keine medizinische Versorgung. Viele seine in sehr schlechter Verfassung.
13. Im Iran sind derzeit 36 JournalistInnen in Haft. Berichte deuten darauf hin, dass trotz der Überfüllung fast 150 DemonstrantInnen, die am 9. Juli in Teheran verhaftet wurden, ebenfalls ins Evin-Gefängnis gebracht wurden. Wie viele Personen insgesamt verhaftet wurden, können wir nicht bestätigen, jedoch die Verhaftung der folgenden Personen: Abbas Mirza Abutalebi (ein Reformpolitiker), Majid Saidi und Towheed Begi (Fotojournalisten), Kaveh Muzaffari (ein Journalist, der schon einmal verhaftet und wieder freigelassen worden war), Shamsuddin Esaie (ein wichtiger Berater Mussawis) sowie Hengameh Shaheedi (ein wichtiges Mitglied der Partei “Etemaade Melli”).
14. Positiv ist zu vermelden, dass die iranischen Gerichte heute den Verhandlungstermin für sieben inhaftierte Mitglieder der Bahai verschoben haben. Diese sind nach den strengen Religionsgesetzen Irans wegen ihres Glaubens angeklagt. Ferner deuten Berichte darauf hin, dass Kambiz Noroozi, ein gestern verhafteter Journalist, freigelassen wurde. Die Familien mehrerer Inhaftierter haben sich mit Bitten direkt an einflussreiche Geistliche in Qom gewandt, ihnen dabei zu helfen, die Freilassung ihrer Angehörigen zu erreichen.
Medien
15. In einem unerwarteten Schritt erklärte ISNA, eine der offiziellen iranischen Nachrichtenagenturen, die Unruhen in der chinesischen autonomen Provinz Xinjiang seien durch Einmischung der USA in die Angelegenheiten Chinas ausgelöst worden. ISNA erklärte, China tue alles in seiner Macht stehende, einen Aufstand niederzuschlagen, der durch ausländische Intervention angefacht würde.
* Ein herzliches Dankeschön an Sahar joon für die Hilfe beim Korrekturlesen und sehr wertvolle Tipps.
Bitte verbreiten Sie diesen Brief weiter und lassen Sie dadurch mehr Menschen wissen, was im Iran vor sich geht.
Die iranische Regierung schränkt die Nutzung des Internet weiter ein, um ihre Bevölkerung zum Schweigen zu bringen.
Viele Menschen im Iran suchen nach Informationen über Proxy-Server und Tor in Teheran und im ganzen Land.
Bitte spenden Sie Bandbreite. Sie leisten dadurch einen Beitrag, den iranischen Vorhang zu überwinden.
Es folgen einige Links mit Informationen dazu, wie man helfen und Hilfe erhalten kann:
Deutsch:
Was ist Tor? Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Tor_(Netzwerk)
Info und Anleitung: offizielle Seite des Torprojekts http://www.torproject.org/index.html.de
Englisch:
Tor Browser Bundle
Tor Browser Bundle
Tor Browser Bundle
Tor and the Iranian Election - Bring down the Iran Curtain | Ian's Brain
Farsi (persisch):
Tor Browser Bundle
Tor: ?????? Tor
Helfen Sie uns, mehr Brücken mit Tor aufzubauen: http://gonzotimes.net/?page_id=500
Übersetzt von Josh, Quelle: http://iran.whyweprotest.net/news-current-events/11966-green-brief-25-july-11-a.html (englisch)
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